top of page

Wilhelmsdorfer Geschichte

wie alles begann...


Während der Triaszeit vor ca. 2oo Millionen Jahren stand unsere nähere Umgebung, geologisch gesehen die "Schaumburger Kreidemulde", unter Wasser. Die mächtigen Tonschichten, die sich in dieser Zeit bildeten, beherbergen noch heute viele unterschiedliche Fossilien, die erst in allerjüngster Vergangenheit gefunden wurden und werden.

Vor gut 700 Jahren befanden sich viele kleinere und mittlere Ortschaften um uns herum mitten in ihrer Entstehungsgeschichte. Knapp 100 Jahre ist es her, daß ein kleines Waldstück im Haster Wald an der Wegegabelung Haste - Rehren - Idensen, der Jagen 29 oder auch Hohlhast genannt, zur Urbarmachung freigegeben wurde.

 

Teilstück eines Ammoniten ca. 50 Millionen Jahre alt

 gefunden am Kanal bei Wilhelmsdorf

während der Verbreiterung des Mittellandkanales in den 1990er Jahren



Hier hatte speziell in den Jahren 1914 - 1918 und 1920 - 1921 der Eichenwickler, ein Baumschädling, sein Unwesen getrieben. Der Schadensbericht der Forstverwaltung lautete knapp und wohl auch treffend: Kahlfraß. Nun war es jedoch keinesfalls so, dass der Eichenschädling dem ersten Siedler die größte Arbeit erspart hätte. Ganz im Gegenteil. Bis zum ersten Spatenstich für das eigene Heim verblieb ihnen noch schwere körperliche Anstrengungen. Doch davon später mehr.

Die kleinen Leute waren es immer, die nach großen Kriegen keinen Erwerb fanden. So war der Wunsch nach eigenem Land zu der damaligen Zeit fast schon eine reine Überlebensfrage. Denn Pachtland, für den Broterwerb notwendig, konnte von den Besitzern von heute auf morgen zurückgefordert werden. Das Amtsgericht in Rodenberg weiß von vielen solchen Streitigkeiten zu berichten.

Das damalige Parlament - der Reichstag - beschloss nach dem 1. Weltkrieg schließlich, Grund und Boden für Siedlungszwecke freizugeben. So war es für die ersten Landhungrigen in Rehren A.R. ein Segen, dass ein Baumschädling (Eichenwickler) im Staatsforst Haste schwere Schäden angerichtet hatte.

Die Staatsforstverwaltung sah sich gezwungen, größere Flächen abzutreiben. An die Rettung des Waldbestandes konnte nicht gedacht werden. Diese Ländereien wurden an die Hessische Siedlungsgesellschaft mbH in Kassel abgetreten, da man damals noch zu Hessen gehörte (Niedersachsen entstand erst gut 25 Jahre später). Das Land (6 ha) sollte von dieser Siedlungsgesellschaft unter den benachbarten Gemeinden aufgeteilt werden. Es war vorgesehen, dass die Siedlungen "Rehren A.R. I und II, Hohnhorst II, Idenser Moor und Idensen" der Gemeinde "Rehren A.R." überlassen werden sollten. Alle Siedlungsflächen gehörten zum forstfiskalischen Gutsbezirk Oberförsterei Haste.

 

 

 

Ausschnitt einer Preußischen Landesaufnahme von 1896

    links mittig ist die Wegegabelung Haste - Rehren - Idensen

zu erkennen, rechts davon das Waldstück “Jagen 29”, das

heutige Wilhelmsdorf. Gut zu erkennen ist auch die heutige 

Straße von Haste durch den “Königlichen Forst” Richtung

Wilhelmsdorf. Südlich des Weges ist bereits das “Forsthaus

Haste II” vorhanden. Der Mittellandkanal war noch in Planung

und noch nicht gebaut.

 

Quelle: Schaumburg-GIS

komplette Karte: guckst du hier

 

 

Im Herbst 1922 war Phillip Buhr der erste, der mit dem Ausschachten seines Hausfundamentes begann. Im Sommer 1923 konnten dann die Familien Buhr, Dornbusch und Meyer ihr neues Heim beziehen. Da zum Forst Haste bisher 13 Häuser gehörten, bekam das Buhr'sche Anwesen die Nummer 14 usw. Diese ersten 3 Häuser standen ein Jahr lang allein, ehe sich 4 weitere Neubauten

hinzugesellten.

 

handschriftlicher Feldbucheintrag vom Mai 1924 des vereidigten

Landmessers Grade, Katasteramt Rinteln, von der Gemarkung

Oberförsterei Haste zu erkennen ist oben links die Wegegabelung

Haste - Rehren - Idensen und ein Weg zwischen den Grundstücken,

der später Glückaufweg genannt werden wird als einziges Gebäude

ist das Buhr’sche Anwesen eingezeichnet handschriftliche

Anmerkung oben links: “Ohne Maßstab” “Norden” ist rechts,

also rechts geht’s nach Idensen

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Stukenroden war es, welches die Urbarmachung anfangs eine sehr mühselige Arbeit werden ließ. Jeder der neuen Siedler half 10 Stunden unentgeltlich beim Roden. Die Stuken mussten unter schlechtesten Bedingungen mit einer Winde aus dem Erdreich geholt werden. Die Erlaubnis zum Sprengen bekam man erst, als der Bergmann Behrens aus Rehren sich für eine fachgerechte Lagerung verbürgte und die alleinige Verantwortung übernahm. Doch der Jagen 29 hatte nicht nur schlagreife Eichenbestände; es befanden sich auch viele junge hiebsunreife Bäume darunter, die von den Siedlern letztendlich noch bezahlt werden mussten. Die geschlagenen Bäume waren natürlich billiges Brennmaterial.

Am 20. September 1933 erging ein Schreiben des Landrates des Kreises Grafschaft Schaumburg an den Herrn Gemeindevorsteher Rehren A.R., dass der Regierungspräsident für die neugebildete, politisch zur Gemeinde Haste gehörende Siedlung Wilhelmsdorf offiziell und landespolizeilich den Namen "Siedlung Wilhelmsdorf" festgestellt hatte. Die Bewohner hatten den Namen aber schon vorher von der nahegelegenen Wilhelmskuhle abgeleitet. Podbielski, so hieß das Waldgebiet bzw. die Revierförsterei bis 1918 und wieder ab 1930, wollten sie ihre Siedlung nicht nennen.

Am 21. August 1935 wurde mit dem Schreiben an den Vorsitzenden des Kreis-Ausschusses Rinteln um Überlassung von je einem bzw. zwei Morgen Siedlungslandes gebeten. Die Siedler aus Rehren A.R. Weißhaupt, Seegers, Most, Dornbusch, Ryhsel, Sennholz und Lattwesen behaupteten, daß im Jagen 28 schlagreife Eichenbestände vorhanden seien. 1936 gingen mehrere Parzellen, Eigentümer die Hessische Siedlungsgesellschaft Kassel, in den Besitz der "politischen Gemeinde Rehren" über.

Langsam bildete sich ein Ortskern heraus, Rehren A.R. I/Hohnhorst II (Wilhelmsdorf) wuchs und wuchs. Die "Siedlungsinteressenten", die kleine Eigenheime zu errichten gedachten und im Besitz der erforderlichen Eigenmittel waren, mussten beim Bürgermeister ihres Wohnsitzes zwecks Baulandbeschaffung vorstellig werden

 

 

 

 

alte Ansichtskarte

Wilhelmsdorf 1935

handschriftlich hinzugefügt:

“Absend. Familie Dornbusch

in Wilhelmsdorf No. 15.”

 

 


Im September 1938 stellte Otto Lockemann aus Rehren A.R. den Antrag auf Erwerb von 2 Bauplätzen in Haste-Wilhelmsdorf. Friedrich Drewes beabsichtigte im Frühjahr 1939 ein Wohnhaus zu bauen. Er richtete am 28.11.1938 ein kurzes Anschreiben an die Gemeinde Rehren A.R. Am 30.10.1938 bat Heinrich Steege die Gemeinde um einen Bauplatz, "die Kinder seines Hauswirts seien jetzt so weit, daß sie zu jeder Tageszeit heiraten können". Phillip Buhr, der erste Bauherr in Wilhelmsdorf, bat im Dezember 1938 um Überlassung eines weiteren Bauplatzes. Alle zusammen zahlten schließlich 9.771,20 Reichsmark an die Staatskasse. Sie hatten Bauland für sich oder ihre Söhne erworben.

 

                                        Brunnenbau

                                        in Wilhelmsdorf

 

1939 waren schließlich 21 Häuser errichtet. Es wohnten 33 Familien in Wilhelmsdorf. Während des 2. Weltkrieges und danach mussten Bombengeschädigte aus Hannover und dem Ruhrgebiet aufgenommen werden. Flüchtlinge aus den Ostgebieten fanden hier eine neue Heimat. Behelfsheime mussten errichtet werden.

Ab 1950 breitete sich der Ort weiter aus. Die Bäckerei Georg Drotschmann rundete das Ortsbild ab. Sie und das Spar-Geschäft von Wilhelm Buhr versorgten die Einwohner. Der Anschluss an die Abwasserkanalisation erfolgte 1969 und 1970. Bei Regen unpassierbare Wege baute man zu Straßen aus. Es tat sich etwas. 1973 standen 52 Gebäude.

Anfang der achtziger Jahre stellte die Gemeinde Haste die Bebauungspläne Nr. 2A und 12 auf (Große Loh/Zum Kanal). Sie waren und sind die Grundlage für das weitere Anwachsen. Neue Straßen kamen hinzu, ebenso ein Kinderspielplatz. Eine große Bautätigkeit hatte gerade in 1993 eingesetzt, freie Grundstücke schwanden.

 

------------------------------------------------------------------



Als Siedler im Gutsbezirk Haste kam man sich in den ersten 10 Jahren buchstäblich zwischen Baum und Borke gefangen vor. Zu Haste gehörten sie, aber man fühlte sich nicht zugehörig. Zu Rehren wollten sie, aber man wollte sie nicht. Sie gehörten der "minderbemittelten Volksklasse" an, waren "Tagelöhner" und natürlich "Sozialdemokraten", und Rehren hatte deshalb überhaupt kein Verlangen, diese Menschen der Gemeinde Haste abzunehmen.

Da richteten die Siedler von Wilhelmsdorf am 26.12.1929 eine Beschwerde an den Bezirksausschuss in Kassel. Der Kreisausschuss in Rinteln hatte in seiner Sitzung vom 22.10.1929 die Absicht geäußert, die Siedlungen Rehren A.R., Hohnhorst II und Idensen sowie die Jagen 27, 28, 29, 30, 40 und 41 des Staatswaldes der Landgemeinde Rehren A.R. zuzuführen. In einer weiteren Sitzung am 16.12.1929 wurde diese Absicht nach eingehender Beratung aber widerrufen und beschlossen, die Siedlung Rehren A.R. (Wilhelmsdorf) doch bei Haste zu belassen. Zumal auch die Gemeindevertretung von Rehren A.R. die Umgemeindung am 12.11.1929 abgelehnt hatte.

Der Kreisausschuß-Beschluß wurde mit 6 Stimmen gegen eine gefaßt. Den Siedlern von Wilhelmsdorf stand ein Beschwerderecht nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu, da sie nicht als Beteiligte galten.

Was war geschehen? Die der Hessischen Siedlungsgesellschaft in Kassel abgetretenen Ländereien sollten an die entsprechenden Gemeinden aufgeteilt werden, in diesem Fall Rehren A.R.

Am 1. Januar 1929 wurde aber vom Preußischen Staatsministerium u.a. der Forstgutsbezirk Haste aufgelöst. Da die Flächen der Siedlungen Rehren A.R. I und Hohnhorst II (Wilhelmsdorf) noch zum Forstbezirk Haste gehörten, fielen diese zwangsläufig der Gemeinde Haste zu.

Am 30. Oktober 1930 bat die Gemeindevertretung Haste erneut um Umgemeindung der Siedlung Rehren nach dem Gemeindebezirk Rehren A.R. Verwaltungsschwierigkeiten, ungünstige Schulverhältnisse, Losholzverteilung und der Wille der Bevölkerung wurden als Gründe angeführt. Haste bat nicht nur, es verlangte diese Maßnahme vom Kreisausschuss.

Vergeblich, der Kreis lehnte am 23. Februar 1932 ab. Die kommunale Mehrbelastung durch Wilhelmsdorf wäre erträglich. Im übrigen ließe sich aus dem niedrigen Gewerbesteuersatz, der fehlenden einfachen Bürgersteuer und aus anderen aufgeführten Einnahmen, ableiten, dass Haste doch "recht günstige finanzielle Verhältnisse hat". Rehren dagegen .....

12. März 1932 - Beschwerde gegen diesen Kreisbeschluss. Alle Register seitens Haste wurden gezogen. Diesmal bat man nur noch. Auch Rehren schob noch einmal Argumente gegen eine Umgemeindung nach. U.a. erhielten doch der Bürgermeister und Gemeindediener von Rehren noch nicht einmal die Hälfte der Amtsentschädigung ihrer Kollegen aus Haste. Ein untrügliches Indiz für die äußerst schwache Finanzsituation. Man bat, die Beschwerde der Gemeinde Haste abzuweisen.

Der Beschluss des Bezirksausschusses Hannover erging am 15. März 1933: Beschwerde abgelehnt. Ein Hauptargument lag in dem unterschiedlichen Steueraufkommen. Die reiche Gemeinde Haste konnte das "leistungsschwache" Wilhelmsdorf leichter tragen, als das "hoch belastete" Rehren.

1934 traf ein erneuter Antrag auf Umgemeindung aus Haste kommend in Rinteln ein. Haste hatte laut Gesetz vom 28. Oktober 1933 507 ha Grundstücksfläche (Colenfelder Feld) verloren, die Leistungsfähigkeit ist "erheblich beeinträchtigt", man bittet deshalb den Landrat, "im Interesse des öffentlichen Wohles" Wilhelmsdorf der Gemeinde Rehren einzuverleiben.

Alle Siedler seien in Rehren geboren und "hegen nur den einen Wunsch: zurück nach Rehren". Schulverhältnisse (alle Wilhelmsdorfer Kinder gehen in Rehren zur Schule), Verwaltungsschwierigkeiten (Entfernung).

Ein Hauptargument fiel unter den Tisch: "Der Hauptgrund, den die damalige Gemeindevertretung von Rehren in politischer Hinsicht zum Ausdruck gebracht hat und woran die Umgemeindung gescheitert ist (die Gemeinde Rehren hätte kein Verlangen, die Sozialdemokraten ihrer Siedlung der Gemeinde Haste abzunehmen), ist dank der neuen Regierung, wo die Parteien restlos verschwunden sind, heute kein Grund mehr."

Der Landrat lehnte nun diesen Antrag am 10. Juli 1934 ab, denn die maßgeblichen Gründe für die Ablehnung in 1933 "sind heute noch dieselben".

Was dann folgte, war Krieg und bitteres Elend. Den Menschen in Wilhelmsdorf war es nun egal, wozu sie gehörten. Es ging einfach nur noch ums Überleben.

Und so gehört Wilhelmsdorf heute noch politisch zur Gemeinde Haste.

Bild 1.jpg
Bild 3.jpg
Bild 4.jpg
Wilhelmsdorf-Postkarte-1935.jpg
Bild 2.jpg
Bild 5.jpg
bottom of page